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Das „Rad der Erkenntnis“

  • 10. Sept.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Sept.

im Budo


Dharmachakra

auch Dharmachakra genannt ist ein kraftvolles Symbol, das in vielen spirituellen Traditionen, einschließlich des Buddhismus („Rad des Gesetzes“), eine zentrale Rolle spielt.

Das Bunbu-ryôdô (文武両道) ist ein japanisches Konzept, das den zweifachen Weg des Geistes und der körperlichen Fertigkeit beschreibt und die Gleichwertigkeit von militärischen Fähigkeiten (Schwert) und zivilen Künsten (Pinsel/Schrift) meint.  Es ist ein zentrales Ideal der Kriegskunst in der japanischen Tokugawa-Zeit (1603-1868), das die umfassende Entwicklung einer Person durch die Verbindung von geistigen und körperlichen Aktivitäten betont.

Zu den geistesgeschichtlichen Hintergründen des bunbu-ryôdô zählen dabei unter anderen die Traditionen des Buddhismus, des Taoismus und des Konfuzianismus.

Das „Rad der Erkenntnis“ steht dabei für den Prozess des Lernens, der Einsicht und der Transformation. Im Budo - den japanischen Kampfkünsten, wird dieses Konzept auf verschiedene Weise interpretiert und angewendet.


Zum ersten Mal das ich vom "Rad der Erkenntnis" hörte war als mein Lehrer Sensei Laupp 9. Dan Hanshi uns in seinem Unterricht erklärte wie man auf die richtige Art und Weise das Mokuso ausführen sollte:

Sitze im Seiza mit aufgerichtetem Oberkörper und geraden Rücken. Konzentriere dich auf deine Atmung und atmet tief in den Unterbauch. Die Hände ruhen entspannt auf den Oberschenkeln, dabei berühren sich Daumen und Zeigefinger und formen das "Rad der Erkenntnis".



Dharmachakra (Sanskrit, m., धर्मचक्र, dharmacakra,  das „Rad des Gesetzes“, von Chakra = Rad und Dharma = Gesetz)  ist im Buddhismus das Symbol der von Buddha verkündeten Lehre. Die Speichen symbolisieren den achtfachen Pfad. 

 

Das Dharma-Rad wird in der Regel mit acht Speichen dargestellt, die den „Edlen Achtfachen Pfad“ zur Befreiung symbolisieren. Es wird häufig mit den drei Juwelen im Zentrum dargestellt. 


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Diese acht Glieder sind in den drei Gruppen „Weisheit“, „Sittlichkeit“ und „Vertiefung“ eingeteilt. Allen Gliedern ist das Adjektiv sammā vorangestellt, was so viel heißt wie „recht“ oder „vollkommen“. Buddhas Weg ist ein "Weg der Mitte", der alle Extreme meidet. Die ersten beiden Glieder beziehen sich auf das Denken und die Gesinnung (Motivation). Das Tun fängt nach dieser Lesart nicht erst mit der Tat an, die Vorbereitungen für eine Tat finden immer im Denken statt, ob bewusst oder unbewusst. Die Glieder drei bis fünf beziehen sich auf das sittliche Verhalten, und bei den letzten drei Gliedern geht es um das Geistestraining, den Zugang zur spirituellen Dimension.


Dōjōkun – 道場訓 – Dōjōregeln

Auch im Shorinryu Shidokan nach Sensei Miyahira Katsuya 10. Dan Hanshi wird der "mittlere Weg" gewählt. Dies findet sich in der Ausführung der Technik wie auch in den Dojokun von Miyahiras Dojo wieder:


  • Versuche, deine eigene Persönlichkeit zu vervollkommnen

  • Pflege den Geist stetigen Bemühens

  • Zügle deinen jugendlichen Eifer

  • Beachte die Etikette




Das „Rad der Erkenntnis“ zeigt einen Weg zur inneren Vervollkommnung und zur Selbsterkenntnis. Es erinnert uns daran, dass der Prozess nicht linear ist, sondern vielmehr zyklisch verläuft. Wir durchlaufen verschiedene Phasen des Lernens und der Einsicht, die uns helfen, unser Bewusstsein zu erweitern und tiefere Wahrheiten über uns selbst und die Welt um uns herum zu erkennen. Durch regelmäßige Praxis können wir die verschiedenen „Speichen“ des Rades erkunden, die die 3 Aspekte Weisheit, Sittlichkeit und Vertiefung umfassen. Jede der Speichen trägt zur Stabilität und zum Gleichgewicht des Rades bei und unterstützt uns auf unserem Weg zur Ganzheit. Die Praktizierenden durchlaufen verschiedene Phasen der Entwicklung (Shu-Ha-Ri), von der grundlegenden Technik bis hin zu fortgeschrittenen Konzepten. Jede Übung, die unterschiedlichen Herausforderung und die gemachten Erfahrungen tragen dazu bei, dieses „Rad“ in uns zu erschaffen. Der Weg im Budo ist nicht nur eine körperliche Reise, sondern auch eine geistige und spirituelle. Die Prinzipien von Demut, Hingabe und Achtsamkeit, die im Budo gelehrt werden, sind entscheidend für die Entwicklung eines tiefen Verständnisses und innerer Stärke. 


Auf diesem Weg begegnet der Wegschüler unter anderem der Herausforderung

die 5. Geisteshaltungen des Budos zu erforschen und für sich zu entwickeln: 



Shoshin - 初心

Shoshin – Anfängergeist


Die offene Geisteshaltung eines Anfängers, das Neue im Blick. Die Bereitschaft zum aktiven Lernen und sich zu entwickeln. Das Streben Neues entdecken, sich anzupassen um sich ein Fundament und eine Grundlage schaffen. Jeder Tag ist eine neue Chance und eine Möglichkeit voranzukommen und mehr zu lernen.



Zanshin - 残心

Zanshin - beständiger, verbleibender Geist 


Ein zentrierter Geist, der nur in diesem Augenblick existiert. Fokussiert und konzentriert präsent im Moment ohne Anhaftung. Die Umgebung wahrnehmend mit allen Sinnen. Offen und frei den Fluss der Bewegung und des Lebens folgend. Nicht gebunden an ein Gegenüber, einen Ort oder ein Ereignis. 



Mushin - 無心

Mushin - ohne Denken und Anhaftung 


Mushin no shin – Absichtsloser Geist. Ein Geist frei von Gedanken und Emotionen, was eine schnelle und intuitive Reaktion ermöglicht. Es ist ein Zustand ohne innere Ablenkung flexibel und anpassungsfähig. Der Geist wird nicht durch fremde Einflüsse oder eigenes Denken gestört oder gehemmt. Der Geist ist frei in Raum und Zeit, so dass ein Gegenüber keinen Ansatz für eine Einflussnahme hat. Ausbildung des Mizu no Kokoro - Herz des Wassers oder frei nach Bruce Lee „Be water, my friend“.

Wie das Wasser, das seine Umgebung reflektiert, wenn es ruhig ist, aber undurchsichtig und unaufhaltsam in seiner Bewegung.


Natürliche Bewegung hat keine belastende Spannung.  "Fließendes Wasser konkurriert mit nichts." (Ryusui saki wo kisuwazu.)

Sensei Miyahira Katsuya 10. Dan Hanshi


Die Bewegung ist entspannt und fokussiert erst am Ende. Dadurch fließt Energie aus dem Körper wie Wasser aus einem Schlauch oder Wasser in einem Strom. Es kämpft nicht gegen sich selbst oder andere. Übermäßige Verspannungen in den Muskeln und Sehnen fangen die Kraft im Körper ein. Ebenso wie das Wasser nicht gegen die Felsen im Fluss kämpft, wird der Angriff mit fließender und umhüllender Energie ausgeführt, ohne dass es zu Zusammenstößen kommt. Dies ist das Herz von Nagashi Waza - fließenden Techniken. 



Fudoshin - 不動心

Fudoshin – standhafter, unerschütterlicher Geist 


Ein unerschütterlicher und standhafter Geist, der auf einem starken Fundament der Erfahrung und des Wissens ruht und sich durch Mut, Entschlossenheit und Stabilität auszeichnet. Flexibel wie Bambus, der sich dem Sturm beugt und doch nicht bricht, sondern sich immer wieder aufrichtet. Diese Stärke und Stabilität entspringen dem inneren Zentrum – durch die Verbindung von Körper, Geist und Seele. (Shin-Gi-Tai). Diese Geisteshaltung zeigt sich in der Möglichkeit des Experten starke und kraftvolle Aktionen auszuführen, dabei aber innerlich wie äußerlich ruhig, gelassen und balanciert zu bleiben. 



Senshin - 先心

Senshin - gereinigter und erleuchteter Geist 


Ein Zustand, in dem der Geist von negativen Einflüssen und Illusionen befreit ist und eine klare, reine Sicht auf die Dinge hat. Es ist die Geisteshaltung, die alle zuvor beschriebenen miteinander verbindet und transzendiert. Es ist die Haltung, die harmonisiert und das Universum was uns umgibt schützen soll. Es ist die Haltung des Mitgefühls, des Guten was in den Menschen liegt. Die Erkenntnis, dass das Leben das höchste Gut auf Erden ist, als erleuchteter Geist. Es ist die Haltung des „Ganzen Menschen“ verbunden mit dem Kosmos. Er weiß um die Bedeutung des Lebens und schätzt dies, mit der Bereitschaft, das zu tun was nötig ist. 


Symbolik und wiederkehrende Aufzählungen

Wir finden in der Symbolik mit den Zahlen „drei“, „fünf“ und „acht“ viele weitere Entsprechungen. Unteranderem gibt es zu den schon genannten Beispielen:


  • „die drei Kategorien rituellen Handelns (Körper, Mund, Geist)“

  • „die fünf Elemente (Erde - chi, Wasser - mizu, Feuer - ka, Wind – kaze und Leere -kū“) z. B. im Buch der 5 Ringe von Miyamoto Musashi

  • „Kempo Hakku - Die acht Gesetze der Faust“

  • „Happo-Kuzushi - die acht Richtungen des Gleichgewichtsbruch“

  • „shichiten hakki – siebenmal fallen, achtmal aufstehen“


In den Kampfkünsten versinnbildlicht ein Säbel das Element Metall, ein Stock das

Holz, ein zweischneidiges Schwert das Wasser, ein Speer das Feuer und eine Faust

[´leere Hand´] das Element Erde. Alle Dinge sind aus dem Element Erde entstanden,

was auf unser Bild übertragen heißt: Alle – Säbel, Stock, zweischneidiges Schwert

und Speer – hängen in ihrer Entstehung und Anwendung von der Faust [Hand] ab.

Cheng Man-ching; Dreizehn Kapitel zu T´ai Chi Ch´uan; S.86

Übersetzung entnommen aus DER ´GEMEINSAME WEG VON SCHWERT UND PINSEL´:

PHILOSOPHIE UND ETHIK JAPANISCHER KRIEGSKUNST DER

TOKUGAWA-ZEIT (1603-1868) - S. 52 Dissertation von JULIAN BRAUN


Beim Üben werden viele rituelle Handlungen praktiziert (Saho, Etikette) bei denen durch das Einnehmen einer äußeren Haltung eine Entsprechung im Inneren entsteht bzw. ausgelöst wird. Dabei werden auch Mudras (Sanskrit = Siegel. kraftvolle Handgesten) benutzt. Die eingenommenen Haltungen haben Einfluss auf unsere Körperenergien und Stimmungen.


So sitzen wir beim Mokuso im Seiza und nehmen mit den Händen, die auf den Oberschenkeln liegen das s.g. Jnana Mudra bzw. Gyan Mudra ein. Alle Finger sind gestreckt. Die Zeigefinger werden gebeugt und mit den Kuppen der Daumen zusammengebracht. Durch die Berührung der Finger wird ein Kreis geformt. Der Rest der Finger bleibt gerade, aber entspannt. In dieser Handhaltung findet das „Rad der Erkenntnis“ eine innere und äußere Entsprechung. Zum einen bilden Daumen und Zeigefinder einen Kreis/Rad (äußere Entsprechung) zum anderen stimuliert diese Geste das Wurzelchakra, beruhigt und verbessert die Konzentration. Sie bringt Klarheit, hellt die Stimmung auf und schenkt uns inneren Frieden und spirituelles Wachstum (innere Entsprechung). 

 

Budo der duale Weg – als Übung des Äußeren (katachi) und des Inneren (kokoro) 


„Äußere Übung“ bedeutet, durch die Gesetze der Kraft niederzuwerfen und aufzurichten, die Energie zu pflegen, den Körper zu schulen, Maß zu halten und durch Schulung der Techniken (waza) die Wege von Sieg und Niederlage zu meistern. 


„Übung des Inneren“ meint die Schriften lesen, das Prinzip Ri (jap.: 離) ergründen, die Weisheit ausbilden, seine Begabungen entwickeln, die unzähligen Dinge unterscheiden und durch Schulung des Prinzips in die verborgenen Geheimnisse der Kampfkunst (budō) einzudringen. 


日本 武道 体系 - Nihon budō taikei

Imamura Yoshiô, Nihon Budô Taikei - Vol.6; S.338 Übersetzung entnommen aus  DER ´GEMEINSAME WEG VON SCHWERT UND PINSEL´:

PHILOSOPHIE UND ETHIK JAPANISCHER KRIEGSKUNST DER

TOKUGAWA-ZEIT (1603-1868) - S. 198 Dissertation von JULIAN BRAUN




Durch das Annehmen der Übung und den daraus resultierenden Konsequenzen begegnen wir uns und unserem Selbst auf neue Weise und erfahren wie Mut und Entschlossenheit uns voranbringt, kommen in Kontakt mit unserer „Herz/Seele“ und unserem Körper als Haus und Werkzeug. 


Erkenne dich selbst. Werde, der du bist.   Chilon von Sparta 

 

Die Budoübung erfordern Hingabe, Geduld und die Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren. Indem wir in der Übung die Lehren des „Rad der Erkenntnis“ erforschen, können wir ein tieferes Verständnis für uns selbst und unsere Umgebung entwickeln. Dieses Erkennen hilft uns, bessere Menschen zu werden, die in Harmonie mit sich selbst und anderen leben. 


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