Die drei Juwelen
- 2. Okt.
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Aktualisiert: 4. Okt.
im Zentrum des „Rad der Erkenntnis“
Drei Juwelen

Im Zentrum des „Rad der Erkenntnis“ findet sich die Darstellung von drei Tropfen oder Kugeln, die sich, um das Zentrum zu drehen scheinen.
Diese symbolisieren die Trinität von Buddha, Dharma und Sangha. Buddah ist der Religionsstifter, Dharma das Gesetz oder Recht und Sangha die Gemeinschaft oder Versammlung. Diese Anordnung der drei Juwelen (Kommata) findet sich in vielen Darstellungen, Wappen und Symbolen in Japan und Ryūkyū (Okinawa) in dieser oder ähnlicher Form wieder.
In Japan/Okinawa heißt dieses Symbol Mitsudomoe, dabei bedeutet mitsu drei und tomoe Strudel. Im Falle des Hidari-Mitsudomoe (hidari = links) in Okinawa symbolisiert die Trinität dort nicht Buddha, Dharma und Sangha sondern „Himmel, Erde und Mensch“. Diese drei Begriffe könnten allerdings, als deren Entsprechungen interpretiert werden. So könnte Buddah für den Himmel, Dharma für die Erde und Sangha für den Menschen stehen.
Magatama / Tomoe
Das Magatama / Tomoe / Tomoe-mon (巴紋) ist ein abstraktes japanisches Emblem, es gibt Muster mit einem, zwei, drei und mehr Tomoe, nach links (im Uhrzeigersinn) oder nach rechts (gegen den Uhrzeigersinn) gerichtet.


In der japanisch shintoistischen Tradition wird das einzelne Tomoe/Komma/Juwel als Magatama (jap. 勾玉 oder 曲玉) bezeichnet. Magatama bedeutet wörtlich „gebogene Kugel“.

Das Magatama ist ein altes japanisches Schmuckstück, das vermutlich im 3./4. Jahrhundert n. Chr. aus Korea nach Japan kam. Das archaisches Krummjuwel ist wie eine Kralle oder ein gebogener Tropfen geformte und eines der drei Shintō-Ornaten (jap. 三種の神器) heiliger Spiegel, Schwert und Juwel. Es wird in dieser Funktion als Yasakani no Magatama (jap. 八尺瓊曲玉) bezeichnet. Diese finden sich im Gründungsmythos von Japan um die Göttin Amaterasu-ō-mi-kami wieder und sind zudem die Throninsignien/Reichsinsignien Japans.

Das Hidari-Mitsudomoe ist ab der Kamakura-Zeit (japanisch 鎌倉時代, Kamakura jidai; 1185/1187–1333) weit verbreitet und findet sich oft auch auf Gebrauchsgegenständen, Musikinstrumenten (Trommeln), Dachziegeln sowie in Familien- und Schreinheraldik. Sein häufiges Auftreten in Verbindung mit Shinto-Schreinen deutet darauf hin, dass man glaubt, es drückt den Geist der Götter aus. Das Hidari-Mitsudomoe wird mit Hachiman, dem Shinto-Gott des Krieges, des Bogenschießens und der Weisheit, in Verbindung gebracht. Es ist auch ein Familienwappen eines Nebenzweiges des Kuki-Clans (Ayabe-Kuji).
Heutzutage werden Magatama als zeremonielle Gegenstände bei Shinto-Festen verwendet und von spiritistischen Frauen (のろ noro oder 巫女 miko) bei religiösen Ritualen auf den Ryūkyū-Inseln (琉球 Okinawa) getragen.
Yin und Yang

Eines der bekanntes Tomoe und mit dem Taoismus in enger Verbindung stehendes Zeichen ist das in der Abbildung dargestellte Yin-Yang-Symbol. Es stellt in Form eines Kreises die Verschränkung und gegenseitige Bedingtheit der beiden fundamentalen Kategorien oder Embleme yin (jap. on) und yang (jap. yô) dar.
Die Yin-Yang-Lehre beschreibt zwei gegensätzliche, aber sich ergänzende Kräfte, die im Taoismus das Universum und das Leben formen. Yin und Yang sind nicht als absoluter Gegensatz, sondern als relativ zueinanderstehende, voneinander abhängige Kräfte zu verstehen, deren dynamisches Zusammenspiel Harmonie und Ganzheit schafft. Dieser zyklische Prozess von Wandel und Gleichgewicht ist in allen Aspekten der Natur und des menschlichen Lebens zu finden, von Tag und Nacht, Frau und Mann, Himmel und Erde bis hin zur traditionellen chinesischen Medizin und der Zirkulation der Energien (Chi/Ki) im Körper.
Dualität und Ganzheit: Alles im Universum lässt sich dual, in zwei gegensätzliche Aspekte, unterteilen. Diese Gegensätze sind jedoch nicht voneinander getrennt, sondern bedingen sich und bilden zusammen eine untrennbare Einheit.
Dynamik und Wandel: Yin und Yang sind keine statischen Kräfte, sondern unterliegen einem ständigen Wandel und einem ewigen Kreislauf. Yin kann sich in Yang verwandeln und umgekehrt, wie der Übergang des Sommers in den Winter.
Abhängigkeit und Beziehung: Es gibt kein Yin ohne Yang und kein Yang ohne Yin. Sie sind für die Existenz des anderen notwendig und definieren sich gegenseitig.
Balance: Gesundheit und Harmonie entstehen im Gleichgewicht dieser beiden Kräfte. Gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, kann dies zu Krankheit oder Disharmonie führen.

Auch im Karate findet man Spuren und Einflüsse der Yin-Yang-Lehre unter anderen am Anfang und Ende der Kata Jion. Die Kata beginnt und endet mit einer Handgeste, bei der die rechte Faust mit der linken offenen Hand umschlossen wird. Diese Haltung wird im Karate als Jiai no kamae (jap. 慈愛の構え) bezeichnet was so viel wie Haltung des Mitgefühls bedeutet (Jiai no Kokoro 慈愛の心 = mitfühlendes Herz, Jihibukai bushi 慈悲深い武士 = barmherziger Samurai) diese Handhaltung findet sich in ähnlicher Form in vielen Kampfkünsten mit chinesischem Einfluss. In den Kata Matsumura no Passai und Itosu no Passai ist die Handhaltung ebenfalls am Anfang und Ende der Kata zu finden nur nicht in Brust-, sondern vor dem Tanden/Hara in Hüfthöhe.
Diese wahrscheinlich aus den chinesischen Kampfküsten nach Okinawa gekommen Haltung bzw. Begrüßung heißt chinesisch (bàoquánlǐ 抱拳禮) „Faustbedeckungsgruß“ oder „Faustbedeckungszeremonie“. Die rechte Hand symbolisiert dabei Yang (chin. 阳) und die Sonne, die linke Hand steht für Yin (chin. 阴) und den Mond. Das Handzeichen zeigt die Harmonie von Yin und Yang an. Fügt man die Schriftzeichen für Sonne und Mond zusammen, so erhält man das Wort Míng (chin. 明), was hell, strahlend bedeutet. Ming war aber auch eine chinesische Dynastie, für die viele Menschen unter der Qing-Dynastie kämpften. Dieses Handzeichen nutzten die Ming-Anhänger für sich als Erkennungssymbol.

Man kann die Faust auch als Krieg und die offene Hand als Frieden interpretieren. So kann diese Geste "die Selbstbeherrschung vor die Gewaltanwendung stellen“. Nach dieser Interpretation repräsentiert die Faust die Kraft (Krieg, Teufels Hand) und die offene Hand die Kontrolle über diese Kraft (Frieden, Buddhas Herz). Dies lässt sich auch mit der Wendung wénwǔ shuāngxiū 文武雙修 ausdrücken, „sowohl die zivilen als auch die kämpferische Fertigkeit zu kultivieren“. Zivilisiert bezieht sich in diesem Fall auf Tugenden wie "Rechte" Rede, "Rechtes" Handeln, Höflichkeit (Etikette) und Respekt. Jeder Kampfkünstler trägt eine große Verantwortung für den Einsatz seines Wissens und sollte diese Werte stets vor den Kampf stellen.
Jiai no kamae jap. 慈愛の構え = Haltung des Mitgefühls Jiai no Kokoro 慈愛の心 = mitfühlendes Herz Jihibukai bushi 慈悲深い武士 = barmherziger Samurai
Wǔdé (chin. 武德) bezeichnet die ethischen Prinzipien und Moralvorstellungen von Kampfkünstlern und Militär in China (Shaolin). Sie betonen Zurückhaltung, Selbstbeherrschung und den ausschließlichen Einsatz von Gewalt zur Verteidigung oder für gerechte Zwecke. Die Kernidee lautet „止戈为武“ (zhǐ gē wèi wǔ) - "wahre Kampfkunst stoppt die Gewalt". Das Ziel der Kampfkunstübung ist es Konflikte zu verhindern, anstatt sie zu verursachen.
Wer Kampfkunst versteht, greift nicht zum Schwert. Sensei Laupp 9.Dan Hanshi

Die Shaolin-Lehren betonen als Grundlage des Wǔdé, die Moral der Tat:
Demut, Respekt, Gerechtigkeit, Vertrauen, Loyalität
und die Moral des Geistes:
Willenskraft, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Geduld, Mut.
Die Wurzeln des Shorinryu (jap. für Shaolin Schule) liegen unter anderem in der Kampfkunst des Shaolin-Kloster, daher finden sich hier die gleichen Prinzipien und Moralvorstellungen wieder. Diese werden ergänzt bzw. decken sich im Großen und Ganzen mit den 7. Tugenden der Samurai.
Diese Lehrsätze kann man auch in einem Brief vom 13 May 1882 von Meister Sōkon Matsumura, dem Begründer des Shorinryu an seinen Schüler Kuwae Ryosei („Sieben Tugenden der Kampfkünste“ Shichi Toku No Bujutsu No Godan-Sho) nachlesen.

Durch die Überlieferungslinie unserer Stilrichtung des Okinawa Shorinryu Shidokan sind wir über Sensei Itosu Anko, Sensei Chibana Shoshin und Sensei Miyahira Katsuya mit Sensei Sōkon Matsumuras Lehre sehr eng verbunden. Demzufolge zeichnet sich nach Sensei Miyahira der ideale Karateka durch "die Hand eines Teufels und das Herz eines Buddha" aus. Die Shidokan-Schule lässt sich nicht auf die sportlichen oder gesundheitlichen Aspekte des Karate beschränken. Vielmehr sieht Großmeister Miyahira in der beständigen praktischen Übung kein eigenes Ziel, sondern ein Mittel zum höheren Ziel der Formung des menschlichen Charakters.

Das Mitsudomoe Mon (Emblem) des Okinawa Shorinryu Shidokan Karatedo Deutschland
Das Shorinryu Shidokan Karate ist in Okinawa tradiert. Sensei Laupp Joachim hat dieses Symbol für sein Dojo gewählt.
In jedem der drei Kommata (Tomoe) ist jeweils ein Kanji geschrieben welche den Namen der Schule - Shi Do Kan - und die Lehre von Hanshi Miyahira Katsuya (* 16. August 1918 - + 28. November 2010) repräsentieren.
Shi Do Kan (志道館) bedeutet "(Mensch mit dem) Willen/Absicht - Weg - Haus" und meint "Haus des Menschen auf dem gerechten Weg".
Vom Ursprung des Shidôkan
Was den Ursprung von Shidôkan betrifft, so geht es darauf zurück, als ich meinem eigenen Karate-Dojo den Namen Shidôkan gab, zurückgehend auf ein Zitat des chinesischen Weisen Konfuzius aus den Aufzeichnungen der Lehrgespräche mit seinem "Buch der Gespräche" 4. Band, Abschnitt 7-6 Den Weg vor Augen, der Tugend verpflichtet, auf Barmherzigkeit basierend. Sensei Miyahira Katsuya 10. Dan Hanshi
Im Budo und in der Kampfkunst im Allgemeinen lassen sich zahlreiche Repräsentationen des Futatsudomoe (z. B. Yin-Yang-Symbol) sowie des Mitsudomoe wiederfinden. Diese Symbole lehren uns viel über die wahre Natur der Kampfkunst und deren positive Wirkung auf den Menschen und die Gesellschaft. Sie erinnern an Balance, Harmonie, Zyklen und die Verbundenheit von Gegensätzen, die in der achtsamen Übung und im wertschätzenden Umgang miteinander ihren Ausdruck finden. Beim Studium der Prinzipien und dem Erkennen der Hintergründe können wir lernen, wie wir unseren Körper und Geist weiter kultivieren und so zu einer friedvolleren, verantwortungsvollen Gemeinschaft beitragen die Gewalt beschränkt, Mitgefühl zeigt und den Menschen hilft.
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